Der Moment, in dem die Angst die Seiten wechselte
17.03.2017
"Der Moment in dem die Angst die Seiten wechselte", so beschreibt Rainer Eppelmann den 9.Oktober 1989, als in Leipzig nach den 10.000 Mutigen der Vorwoche entgegen der Erwartungen der Stasi und trotz schärfster Drohungen nicht die vermuteten 30.000 sondern sogar 70.000 Menschen zum friedlichen Protest an der Nikolaikirche zusammenkamen. Die eigentlich angeordnete Niederschlagung der Protestbewegung fand nicht statt, die Entscheidung wurde nicht im Politbüro, sondern auf der Straße getroffen, und die Angst wechselte die Seiten.
In seinem Vortrag im Rahmen der Leitplanken-Veranstaltung, zu der die CDU im Rhein-Kreis Neuss gemeinsam mit der CDU-Fraktion im Kreistag geladen hatte, berichtete Rainer Eppelmann aus erster Hand, was es bedeutete, in einer Diktatur zu leben. Wie die Diktatur aus den Menschen Flüsterer macht, die nicht mehr ohne Furcht vor Repressalien ihre Meinung sagen können. Wie kritische Gedanken nur noch im vertrauten Kreise geäußert werden konnten, und wie man später feststellen musste, das manche Kreise nicht ganz so vertrauenswürdig waren.
Eppelmann schilderte eindrucksvoll, wie die Kirchen dank ihrer bestehenden Infrastruktur und des ihnen entgegengebrachten Vertrauens zum Geburtshelfer der Demokratie in der sich wandelnden DDR wurden. Über lange Jahre bot sich kaum ein Aussicht auf Veränderung. "Hoffnung ist nicht der Glaube, dass etwas gut ausgeht. Hoffnung ist die Gewissheit, dass etwas sinnvoll ist." Daraus schöpften Eppelmann und seine Mitstreiter Kraft, lange bevor sich die Wende abzeichnete.
Rainer Eppelmann arbeitet heute weiterhin als Vorsitzender der Bundestiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, die er seit deren Gründung 1998 leitet. "Bürgerrechtler, Maurer, Pfarrer und Minister. Vier Begriffe, die nur die wenigsten in einer Vita vereinen können. Wir haben uns sehr über den Besuch von Rainer Eppelmann gefreut.", erläutert der CDU-Kreisvorsitzende Lutz Lienenkämper MdL, "Er hat uns einen bewegenden Einblick in den Werdegang der friedlichen Revolution in der DDR gegeben."
Hintergrund:
Die Veranstaltungsreihe ‚Leitplanken’ ist dem Nachdenken über die Verwurzelung unserer politischen Arbeit in christlichen Überzeugungen und unserer Verantwortung vor Gott und den Menschen gewidmet. Kernstück der jährlichen Veranstaltung, die stets mit einer ökumenischen Andacht begann, ist der Vortrag eines Hauptredners, auf den eine gemeinsame Diskussion folgt. Gerade in unserer immer schnelllebigeren Zeit geht die Besinnung auf die wirklich wesentlichen Grundwerte alle an. Die ökumenische Andacht fand dieses Jahr im St. Quirinus-Münster in Neuss statt und wurde von Pfarrer Sebastian Appelfeller, Vorsitzender des Verbandes Evangelischer Kirchengemeinden in Neuss und Monsignore Guido Assmann, Kreisdechant und Pfarrer der Pfarreiengemeinschaft Neuss-Mitte, zelebriert.
Bisherige Gäste:
2003 Ministerpräsident a.D. Bernhard Vogel
2004 Präses i.R. Manfred Kock
2005 Bischof Dr. Heinrich Mussinghof
2006 Prof. Dr. Wolfgang Stock (Historiker, Politikwissenschaftler, Publizist)
2007 Jugendseelsorger Marcus Bussemer
2008 Professor Dr. Gert G. Wagner (Wirtschaftsforscher, Autor der Denkschrift
der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) mit dem Titel:
„Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive“
2009 Hermann Gröhe MdB (CDU-Generalsekretär)
2010 Abt Stephan Schröer (Altabt der Benediktinerabtei Meschede)
2011 Dr. phil. Dr. theol. Thomas Sternberg MdL, Direktor der katholischsozialen
Akademie Franz Hitze Haus des Bistums Münster, Mitglied und Sprecher für
kulturpolitische Grundfragen im Zentralkomitee der deutschen Katholiken
2012 Diakon Willibert Pauels (früher am Collegium Marianum in Neuss tätig)
2013 Prof. Dr. Norbert Lammert MdB, Präsident des Deutschen Bundestages
2014 Pfarrer Manfred Rekowski, Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland
2015 Bischof Dr. Heiner Koch
2016 Annette Schavan, deutsche Botschafterin beim Vatikan